Ulmers Katechismus

J. C. Ulmer war ein umfassend gebildeter protestantischer Theologe, dem die Unterweisung von Kindern und Jugendlichen in den Grundlagen des christlichen Glaubens am Herzen lag. Gerade aufgrund seiner hohen theologischen Kompetenz wurde Ulmer von seiner Heimatgemeinde Schaffhausen bereits 1542 und erneut 1559 umworben. Schließlich war der dritte Versuch 1566 erfolgreich, sodass die erlahmende reformatorische Bewegung in Schaffhausen wieder Schwung erhielt. Dass Ulmer einen eigenen Katechismus verfasste, zeigt seine theologische Eigenständigkeit und differenzierte Kenntnis.

 

 

Während eines Vortrags im April 2019 im Ulmer-Haus berichtete der Schweizer Experte Prof. Dr. Erich Bryner von wahrscheinlich bereits in Lohr verwendeten katechetischen - also unterweisenden - Notizen Ulmers, die erst Anfang des Jahres überraschend in der 

Universitätsbibliothek Eichstätt entdeckt wurden; eine detaillierte Prüfung steht noch aus. 

Bryner konnte bei seinen Vortragsausführungen auf umfangreiches Quellenmaterial zu Ulmer zurückgreifen, soeben herausgegeben in dem Buch "Den wahren Gott recht erkennen und anrufen".  In seinem Buch wies Bryner auf eine für Ulmer demütigende Prüfung nach dem Stellenwechsel von Lohr nach Schaffhausen hin, in welcher der Theologe seine Abendmahlslehre zu begründen hatte. Ihm wurde in dieser Hinsicht eine unerwünschte Nähe zu Luther unterstellt - ungern gesehen in Schaffhausen, das von Huldrych Zwingli evangelisch-reformiert statt evangelisch-lutherisch geprägt war. Doch - was haben die katechetischen Fragen und Antworten, die Johann Conrad Ulmer vor rund 450 Jahren notiert hat, noch mit uns heute zu tun? Drei Ideen dazu:

 

In Lohr verwendet?

Bryners Buch ist zu entnehmen, dass J. C. Ulmer eine Unterweisung zum Abendmahlsverständnis verfasst hat, die im Kontext seiner Prüfung beim Stellenwechsel von Lohr nach Schaffhausen zu betrachten ist. Der Lohrer Schulmeister Wirth berichtet 1574 in einem Brief an Ulmer "... Kindern, die (…) iren ganzen Catechismus und Fragen vom NachtMahl Christi können." Das Engagement Ulmers hinsichtlich der Unterweisung von Kindern in der von ihm gegründeten Lateinschule in Lohr kann vermuten lassen, dass Ulmers Abendmahlsvorstellungen dauerhaft Spuren hinterlassen haben. 

 

Evangelisch - aber zwischen reformiert und lutherisch?

Die Nähe Ulmers zu Luthers Abendmahlsverständnis, der immer an der realen Gegenwart Christi in, mit und unter Brot und Wein festhielt, wird in Ulmers Worten deutlich:

"Frage: was schenckt und übergibt dir Christus, nach seinen worten, mit den leiblichen zeichen des brots und des weins im heiligen Nachtmal? Antwort: Seinen heiligen Leibe, den er für mich in den thode gegeben, und sein heiligs blute, das wer für meine sunde vergossen hat."

Doch auch das evangelisch-reformierte Verständnis des Abendmahls als Erinnerungsmahl kann Ulmers eigenen Notizen entnommen werden:

"Frage: Warzu ist dir dann das heilige (…) Nachtmal nütz? Antwort: das ichs thue zu meines herrn Christi gedechtnis…"

Ulmers Fragen und Antworten zum Abendmahl können uns heute neu zum Nachdenken über die Unterschiede im evangelischen Abendmahlsverständnis anregen, darüber hinaus auch im Hinblick auf den ökumenischen Austausch.

 

Persönliche Begegnung heute: die Lohrer und die Schaffhausener Gemeinde

Ulmers Schaffhausener Katechismus stellt eine Verbindung zwischen seiner Tätigkeit in Lohr und Schaffhausen dar - der Austausch mit Lohrer Bürgern zu diesen Themen bestand auch nach seinem Wegzug fort. Heute sind sowohl die drei Besuche des Schweizer Experten Bryner in Lohr als auch die Begegnungen zwischen der Lohrer und der Schaffhausener Gemeinde im Jubiläumsjahr von aktueller Bedeutung: bereichern sie doch den Austausch unter Christen und tragen zum lebendigen Glauben bei.

 

Eine interessante sprachliche Besonderheit: die Erläuterungen in Bryners Buch zu Ulmers kultivierter hochdeutscher Sprache des 16. Jhd. und deren notwendiger Anpassung an den Schaffhausener Sprachgebrauch machen deutlich, wie wichtig damals wie heute eine widerstandsarme, aber doch präzise Sprache war und ist, um den Kern des Glaubens Menschen nahe zu bringen.

 

(Literaturhinweis: „Den wahren Gott recht erkennen und anrufen“ - Der älteste Schaffhauser Katechismus von Johann Konrad Ulmer 1568/69“, herausgegeben und kommentiert von Erich Bryner, 2019, Theologischer Verlag Zürich)